02. Oktober 2024

Nicht zu rauchen ist die beste Lungenkrebsprävention

In der Schweiz erkranken jedes Jahr rund 4000 Menschen an Lungenkrebs. Die meisten von ihnen rauchen. Dr. med. Stephan Gasser, Leiter Pneumologie, spricht über das Risiko der Nikotinsucht und die Behandlungsmöglichkeiten bei Lungenkrebs.

Herr Gasser, stimmt es, dass die meisten Lungenkrebserkrankten rauchen?
Ja, 90% der Fälle sind auf Rauchen zurückzuführen. Die restlichen 10% haben andere Ursachen wie beispielsweise die Genetik.

Wie macht sich Lungenkrebs bemerkbar?
Man spürt ihn erst spät, weil die Lunge tolerant ist. Je nach Lage des Tumors können Atemnot, Husten, blutiger Auswurf, Gewichtsverlust oder Schmerzen auftreten.

Was könnte man tun, um diese Tumorart früher zu erkennen?
Man müsste regelmässige Computertomografien durchführen und bei Auffälligkeiten abklären, ob es ein Tumor ist. Es gibt Länder, die solche Screening-Programme eingeführt haben. Die Schweiz sieht noch davon ab. Dies unter anderem wegen den Kosten, fehlender Standardisierung und den zusätzlich generierten Abklärungen. Die Untersuchungen müsste man alle zwei bis drei Jahre durchführen. Studien zu solchen Programmen zeigen: Überprüft man 1000 Menschen, findet man bei 391 einen Befund in der Lunge. Nur bei 14 ist es tatsächlich Krebs. Alle anderen werden trotzdem abgeklärt, behandelt und verunsichert. Im besten Fall verhindert man damit 3 Todesfälle. 

Welche Arten von Lungenkrebs gibt es?
Es gibt grob vier Arten. In den letzten 50 Jahren hat sich die Verteilung verändert. Früher waren die Plattenepithelkarzinome die häufigste Form, heute ist es das Adenokarzinom.

Wie gehen Sie vor, wenn jemand mit Krebsverdacht zu Ihnen kommt?
Wir Pneumologen bekommen von den Hausarztpraxen die Verdachtsfälle zur weiteren Abklärung zugewiesen. Wir versuchen, endoskopisch eine Biopsie zu gewinnen, damit die Pathologie das Gewebe für die Diagnose genau analysieren kann. Wenn das nicht geht, weisen wir die Betroffenen der Radiologie oder der Chirurgie zu, welche mit ihren Möglichkeiten Proben entnehmen. Ich untersuche zudem, ob der Krebs bereits gestreut hat. Anschliessend stelle ich den Fall am Tumorboard vor. Dort wird interdisziplinär ein Therapievorschlag ausgearbeitet. Ab dann übernehmen die Spezialistinnen und Spezialisten der Chirurgie, Onkologie und Strahlentherapie.

Kann jemand mit einem fortgeschrittenen Lungenkrebs überleben?
Die Statistik stimmt ja nie für das Individuum, deshalb bin ich vorsichtig mit Prognosen. Ich erkläre den Fortschritt des Krebses und ob er heilbar ist. Dies ist allerdings nur in frühen Stadien möglich. Auch wenn es bereits Ableger gibt, stehen jedoch gute Medikamente zur Verfügung, um das Tumorwachstum einzudämmen. Wenn die genetischen Voraussetzungen stimmen, erreicht man heute mit einer Immuntherapie teilweise sensationelle Resultate.

Was ist die beste Lungenkrebs-Vorsorge?
Nicht zu rauchen ist die beste Prävention. Ein Screening-Programm hilft, Frühstadien zu erkennen.

Oder mit Rauchen aufzuhören?
Viele meinen, dass sich die Lunge nach dem Rauchstopp erholt. Das stimmt nicht. Rauchen verursacht grosse Schäden in der Lunge. Wer aufhört, bleibt im besten Fall auf dem aktuellen Stand stehen. Meist wird es aber schlimmer, weil die Lungenkapazität mit dem Alter abnimmt. COPD kommt bei der Hälfte der Raucher vor und verursacht vorzeitiges Sterben. Das ist vielen zu wenig bewusst.

Sind E-Zigaretten weniger krebserregend?
Die Frage zur Schädlichkeit müssen Sie mir in 30 – 40 Jahren stellen. Das wissen wir momentan schlichtweg nicht. Bei der E-Zigarette wissen wir zu wenig über die Inhaltsstoffe, da diese meist aus Asien kommen. Das ist ein Problem, denn es gibt weder eine Regulation noch Kontrolle. In den USA waren vor rund sechs Jahren E-Zigaretten mit beigemischtem Vitamin E im Umlauf. Das führte bei vielen zu einem akuten Lungenversagen und zum Tod. Und nicht zu vergessen ist, dass Nikotin per se wahrscheinlich auch krebserregend sein kann. Diese neuen Rauchformen sind also alles andere als bedenkenlos. 

Vapen ist bei den Jugendlichen beliebt. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Nicht nur bei den Jugendlichen. Bereits Kinder ab 12 Jahren beginnen damit, weil es cool ist und sie auf die süssen Düfte ansprechen. Das ist erschreckend. Heute weiss man, dass die meisten Vaper irgendwann auf die Zigarette umsteigen oder beides parallel konsumieren. Das ist ein grosses Problem. Auch bedenklich ist Shisha-Rauchen. Eine Shisha entspricht 10 – 100 Zigaretten. Hinzu kommt die Kohle. Das ist, wie wenn man den Rauch eines Feuers einatmet. Leider filtert das Wasser nicht, wie häufig fälschlicherweise angenommen wird. Zudem kann es zu einer Kohlenmonoxid-Vergiftung kommen. Das ist nicht so harmlos, wie es dargestellt wird.

Kann man vom Vapen süchtig werden?
Ja, Nikotin zählt zu den am stärksten süchtig machenden Substanzen. Deshalb rauchen so viele Leute und kommen nicht davon los. Menschen sind suchtgefährdet. Das ist ein schwieriges Thema.


 

Dr. med. Stephan Gasser
Facharzt für Pneumologie / Facharzt für Allgemeine Innere Medizin / Facharzt für Intensivmedizin
Leitender Arzt
Leiter Pneumologie

Tel. +41 61 925 23 66
Mail


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Das Tumorzentrum Baselland vereint alle Fachdisziplinen für Prävention, Diagnostik, Therapie und Betreuung von Tumorpatienten. Dafür wurde es mit dem Zertifikat des «Swiss Cancer Network» ausgezeichnet. Durch die regionale Vernetzung und den Austausch in Tumorkonferenzen behandeln wir Lungenkrebsbetroffene nach neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen.

> ksbl.ch/tumorzentrum


Dieser Beitrag ist im Oktober 2024 im Magazin Regio aktuell erschienen.


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