03. November 2023
«Mammografie rettet Leben»
Nicht jede Frau hat das gleiche Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. Umso wichtiger ist es, dass sich jede Frau mit dem Thema auseinandersetzt. Denn: früh erkannt ist Brustkrebs meist gut behandelbar.
Raphael Sexauer, der diesjährige Brustkrebsmonat Oktober ist zu Ende. Weshalb ist diese internationale Kampagne so wichtig?
Weil Brustkrebs viele junge und bis dahin gesunde Frauen betrifft, die ihr Leben noch vor sich haben. Das Mammakarzinom ist der häufigste Krebs bei Frauen und meist gut behandelbar – sofern man den Tumor früh erkennt. Wir müssen deshalb ein Bewusstsein schaffen für Brustkrebs. Es ist wichtig, dass sich jede Frau unabhängig von ihrem Alter Gedanken darüber macht, wie hoch ihr Risiko ist.
Dadurch lässt sich ein Tumor aber nicht verhindern.
Nein, aber wenn eine Frau Bescheid weiss, dass sie ein hohes Risiko hat, kann sie sich frühzeitig regelmässig untersuchen lassen. Dies kann für sie lebensrettend sein.
Dr. med. Raphael Sexauer
Facharzt für Radiologie
Oberarzt
Tel. +41 61 400 32 93
Mail
Welches sind die grössten Risikofaktoren?
Das Erbgut ist ein wichtiger Faktor. So haben «BRCA 1/2»-Patientinnen wie beispielsweise Angelina Jolie ein viel höheres Risiko, in jungen Jahren zu erkranken. Die Wahrscheinlichkeit, irgendwann an Brustkrebs zu erkranken, liegt bei ihnen bei 50 bis 70 Prozent. Neben den Genen spielen die Dichte des Brustgewebes und das Alter eine Rolle. Risikofaktoren sind auch vorherige Risikoläsionen in der Brust, eine frühere Bestrahlung sowie Hormonersatztherapien.
Wie gehen Sie vor, wenn eine junge Frau in Ihre Sprechstunde kommt, weil sie einen Knoten in ihrer Brust entdeckt hat?
Ich untersuche ihre Brust, mache eine Familienanamnese und lasse – je nach Alter der Patientin – eine Mammografie durchführen. Zudem untersuche ich den Befund im Ultraschall. Besonders wichtig ist, dass ich eine Frau, die erstmals zu uns kommt, besonders gut aufkläre und ihre Ängste ernst nehme: Ich erkläre ihr, was ich an der ertasteten Stelle sehe und was dies bedeutet. In vielen Fällen kann ich dank der Bildgebung bereits entwarnen. Ist eine Gewebeprobe notwendig, zeige ich der Patientin auf, welche gutartigen Erkrankungen die Bildbefunde erklären könnten. Zudem ist eine Probeentnahme meist schmerzlos und komplikationslos. Gutartig sind beispielsweise Narbengewebe oder ein sogenanntes Fibroadenom. Manchmal finden wir in der Mammografie sowie im Ultraschall keine Erklärung für den Tastbefund. In diesen Fällen machen wir zusätzlich eine Kernspintomographie (MRI) der Brust.
Was, wenn die Frau zu den wenigen gehört, bei denen die Veränderung bösartig ist?
Die meisten Tumore, die wir bei einem Screening entdecken, haben zum Zeitpunkt der Diagnose noch keine Lymphknoten oder Metastasen gebildet. Ich kann den Betroffenen also viel Mut machen, denn sie sind immer noch in einer exzellenten Behandlungssituation.
Das tönt nun etwas zynisch.
Ist es aber nicht! Denn dank Früherkennung können wir den Tumor meist brusterhaltend entfernen und mit einer Strahlentherapie sowie einer passenden medikamentösen Therapie gut nachbehandeln. Die Therapie ist in diesem Fall viel weniger belastend, die Mortalität und die Rückfallquote sind viel tiefer und die Lebensqualität bleibt erhalten. Finden wir bei der Erstdiagnose bereits Tumoransiedlungen im ganzen Körper, dann sind wir in einer komplett anderen Situation. Jede Frau, die zu uns ins Screening kommt, macht daher einen ersten Schritt in die richtige Richtung.
Screening-Kritiker warnen vor falsch-positiven Ergebnissen. Was raten Sie verunsicherten Frauen?
In meiner Praxis löse ich keinen Brustkrebs aus. Ich verändere auch nichts an der bestehenden Situation. Aber ich kann Risiken erkennen und den Frauen erklären, was von einer Früherkennung zu erwarten ist. Die Mammografie soll nicht Angst machen, sondern beim Überleben helfen. Und das tut sie: Die Mortalität sinkt dank Screening um rund 40 Prozent, wie eine Studie mit etwa 550’000 Frauen gezeigt hat. Kritiker werfen uns vor, Frauen mit dem Screening unnötig Angst zu machen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Ich finde es sehr ermutigend, dass ich den meisten Frauen ein niedriges Krebsrisiko zusprechen kann. Und ich erlebe oft, dass die Angst auch bei einer Frau mit hohem Erkrankungsrisiko kleiner wird. Denn ich kann ihr aufzeigen, dass wir einen allfälligen Tumor dank Screening früh entdecken und dann gut behandeln können.
Mammografie-Screening
Die Krebsliga empfiehlt allen Frauen ab 50 Jahren sowie jüngeren Frauen mit erhöhtem Risiko, an einem Screening-Programm teilzunehmen. Sie werden dann alle zwei Jahre zu einer von den Krankenkassen bezahlten Mammografie aufgeboten. Im Gegensatz zum benachbarten Ausland ist eine kostenlose Früherkennung in der Schweiz noch nicht allen Frauen zugänglich: In Kantonen ohne Screening-Programme – auch im Kanton Baselland – müssen Frauen die Untersuchung selbst bezahlen. Bei einem Brustkrebsverdacht übernehmen die Krankenkassen auch hier die Kosten, jedoch nur im Rahmen der gewählten Franchise.
Brustzentrum Baselland
Das Brustzentrum Baselland am Tumorzentrum des KSBL
Patientinnen mit Brustkrebs werden am Brustzentrum Baselland in Liestal von der Diagnose über die Operation bis zur Nachsorge von einem interdisziplinären Team behandelt und betreut. Das Brustzentrum Baselland ist Bestandteil des Tumorzentrum Baselland und seit 2021 Netzwerkpartner des zertifizierten Brustzentrums des Universitätsspitals Basel.
Kommentar verfassen